Hannoversche Allgemeine Zeitung  5.2.2024  Kultur

Sternstunden der Verletzlichkeit

 

Als Judith W. Taschler 2013 ihren Roman „Die Deutschlehrerin“ veröffentlichte, wurde sie dafür gefeiert. Sie traf ohne jeden Kitschverdacht einen Nerv der Gesellschaft. Nun wurde der Stoff als Kammerspiel im Theater in der List gezeigt.

Mathilda und Xaver waren mal ein Paar. Sie arbeitete als Deutschlehrerin und finanzierte das Leben beider, solange Xaver noch studierte. Dann kam der große Erfolg, zumindest für Xaver. Er entwickelte sich zu einem gefeierten Jugendbuchautor. Allerdings mit Geschichten, die er von Mathilda geliefert bekam, ohne Mathilda in seinen Büchern zu erwähnen. Sie tauchte weder als Co-Autorin noch mit einem Dank im Vorwort auf, er nutzte ihren Erfindungs-reichtum einfach aus und münzte ihre fantasievollen Geschichten so um, als hätte er sie erfunden. Dann trennte er sich von ihr, sang- und klanglos. Er war eines Tages einfach weg. Er heiratete eine andere, die gesellschaftlich etabliert war, aus reichem Hause stammte, ihm ein gutes Leben versprach. Seine Aufgaben bestanden fortan darin, sich um das gemeinsame Kind, das große Anwesen und seine Schriftstellerei zu kümmern. Das allerdings ohne besondere Erfolge.

Nach 16 Jahren treffen Mathilda und Xaver dann durch einen scheinbaren Zufall wieder aufeinander, auf der Bühne im Theater in der List. Regisseur Kay Szacknys hat die Bühnenfassung des Romans seinen beiden Hauptdarstellern auf den Leib geschneidert.                                                                                                      Christiane Ostermayer und Willi Schlüter brillieren als Mathilda und Xaver, bringen das Publikum zu einer Ergriffenheit, als ginge es um das eigene Leben, mit all seinen gelungenen und misslungenen Abschnitten, all den Egoismen und verpassten Chancen. Wie bei Mathilda und Xaver, die einander noch immer zugeneigt sind, auch jetzt noch, nach so langer Zeit und trotz der vielen Wunden und Verletzungen, die sie sich einander zugefügt haben.

Er ist ein erbärmlicher Meister des Verdrängens, sie eine Meisterin im Wundenlecken, bis sie noch tiefer sind. Das spielen Ostermayer und Schlüter so konzentriert und überzeugend, dass das Publikum überaus gebannt die Lebenswindungen beider mitzufühlen scheint, zwischen Betretenheit, Empörung und Verständnis. Es ist eine kleine Sternstunde im Theater in der List.....

Frank G. Kurzhals

Weitere Aufführungen in diesem Monat am 9., 17., 21. und 23. Februar. 1., 2., 8., 13., 15. März